Naturgewalten wie Stürme, Gewitter und die damit verbundenen Wolken-Formationen üben auf Fotografen eine ganz besondere Faszination aus. Wer Gewitter fotografieren und atemberaubende Fotos von Wetter-Phänomenen schießen will, muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Dies bedarf jedoch einer sorgfältigen Planung.
Mittlerweile gibt es schon Literatur darüber, wie man das „Stormchasen“ erlernen kann, oder zu Deutsch: Wie man Sturm- oder Gewitter-Jäger wird. Jedoch bezieht sich diese Literatur ausschließlich auf die USA. Die grundsätzlichen Ansätze sind natürlich die gleichen. In Deutschland haben wir allerdings vollkommen andere Quellen, über die wir die nötigen Wetterdaten beziehen, sowie ein anderes Straßennetz. Kann man in den USA einfach im Quadrat fahren (nach einer bestimmten Zahl gefahrener Meilen kommt einfach eine Querstraße), so muss man bei uns genau das Wirrwarr an Straßen und Autobahnen betrachten, um eine gute Route auszuwählen.
Weiter kommt hinzu, dass Deutschland dichter besiedelt ist. Man muss also auch geschickt Ortschaften umfahren, sofern es möglich ist. Weitere Hindernisse stellen die vielen Mittelgebirge und die Wälder dar. In den USA hingegen hat man meistens weitläufige, große Felder, an denen man problemlos einen freien Blick auf das Gewitter erhält. Es gibt also einige grundsätzliche Unterschiede in der Herangehensweise.
Die richtige Ausrüstung für Sturmjäger
1. Ein Auto ist für Sturmjäger unverzichtbar
Um Gewitter zu jagen und zu fotografieren, benötigen Sie auf jeden Fall ein Auto. Daran führt kein Weg vorbei. Das Auto bietet Ihnen nicht nur einen immer vorhandenen Zufluchtsort vor Blitzen, Hagel, Wind und Regen – es bringt Sie zu den Gewittern.
2. Stormchasen ist Teamwork
Ohne ein Team funktioniert Gewitterfotografie nur sehr schwer. Es ist auch ein Risiko, denn Sie können während des Auto-Fahrens nicht auch noch den Blick auf die Wetterdaten haben. Gerade als Anfänger benötigt man für die Interpretation der Daten etwas länger Zeit. Suchen Sie sich deshalb unbedingt jemanden, der Lust hat, das Ganze mit Ihnen auszuprobieren. Gewitter zu fotografieren macht nicht nur großen Spaß; Stormchasen ist auch immer ein lustiger Roadtrip mit Freunden.
Wenn es mit dem Gewitter bei der ersten Tour nicht klappt, können Sie aus Ihrem Trip eine Besichtigungs-Tour machen und sich die Gegend anschauen, in der Sie gerade gelandet sind.
Also: Der Fahrer konzentriert sich ganz auf das Fahren, der Beifahrer kümmert sich darum, eine Route zum Gewitter zu finden und sagt dem Fahrer, wo es lang geht.
3. Mobiles Internet ist unabdingbar für Sturmjäger
Wenn Sie Gewitter fotografieren möchten, ist mobiles Internet ist das Wichtigste überhaupt. Nur so können Sie sich stets die aktuellen Wetterdaten aus dem Web holen, die frei verfügbar sind. Sie sollten zudem ein großes Datenvolumen haben und einen Anbieter mit einem gut abgedeckten Netz, damit Sie überall die Daten einholen können.
Denken Sie auch daran, eine gute Stromversorgung für alle Smartphones im Auto bereitzustellen. Sollten Sie an der Grenze zum EU-Ausland wohnen, besorgen Sie sich am besten eine Prepaid-Karte des Nachbarlandes, denn Gewitter kennen keine Landesgrenzen.
Am geschicktesten ist eine Kombination aus Google Maps (Apple Maps) und einem Offline-Navigationsgerät. Dieses kann entweder auf Ihrem Smartphone (z.B. HERE Maps) installiert sein oder ein externes Gerät sein. Mit der Satellitenbild-Funktion von Google Maps (Apple Maps) können Sie sehen, wo sich freie Felder befinden und Sie so einen freien Blick auf die Gewitter haben werden. Mit dem Offline-Navi starten Sie dann die Routenführung dorthin, um Datenvolumen zu sparen.
5. Eine Kamera für spannende Fotos
Für die Gewitter-Fotografie reicht prinzipiell erst einmal eine einfache Kamera aus, welche Sie bedienen können. Ich persönlich empfehle eine Spiegelreflex-Kamera, denn diese können Sie zunächst im einfachen Automatik-Modus verwenden und später dann manuell wie ein Profi bedienen. Man arbeitet damit einfach besser, als mit einer kleinen Handknipse oder dem Smartphone. Foto-Workshops wie hier erleichtern es, die Grundzüge der Kamera zu verstehen.
Basis-Wissen für Sturmjäger
Nun kennen Sie alles, was man als Sturmjäger benötigt. Sie sehen, es ist nicht viel, und eigentlich jeder besitzt die nötige Ausrüstung. Ergänzt durch etwas Basis-Wissen zum Thema „Jagd auf Gewitter“, können Sie bald schon losziehen und Ihr erstes Gewitter fotografisch einfangen.
1. Das Gewitter und seine Zugbahn
Die Basis für unsere späteren Fotos ist natürlich das Gewitter. Eine Gewitterzelle ist nicht einfach irgendein grauer Teil vom Himmel, aus dem magisch etwas Regen und Blitze herauskommen, sondern es handelt sich um eine konkrete, abgegrenzte Wolke. Die nachfolgende Galerie zeigt Ihnen einige Beispiele. Man erkennt sehr gut, dass sich die so genannte Gewitterzelle als abgeschlossenes Objekt in der Luft befindet. Man muss das Gewitter auch als diese separate Einheit Wolke betrachten, die es ist. Das heißt, man kann klar definieren, was Gewitter ist und was nicht. Jedes Gewitter hat diese klare Struktur, die Sie mit der Zeit noch kennenlernen werden.
Ich empfehle Ihnen an dieser Stelle, sich einfach folgende Wikipedia-Artikel durchzulesen, denn ich könnte es auch nicht besser formulieren:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gewitter
Und jedes Gewitter ist eigentlich nur eine Cumulonimbus-Wolke:
https://de.wikipedia.org/wiki/Cumulonimbus
Der Wind treibt nun diese Cumulonimbus-Wolke über das Land, wie ein Segelschiff über den Ozean. Ebenso wie ein solches Segelschiff immer eine konkrete Fahrstrecke hat, hat auch eine Gewitterzelle eine konkrete Zugbahn. Sie folgt dem Wind in der Atmosphäre. Das ist auch der Grund, wieso man als Sturmjäger eben eine solche Gewitterzelle einfach mit dem Auto abfangen kann! Man muss einfach nur sich selbst mit dem Auto in genau diese feste Zugbahn der Gewitterzelle bringen. Wenn diese dann auf Sie zuzieht, können Sie die Gewitterzelle beobachten und fotografieren.
Alles was ein Sturmjäger möchte ist also, sich in der Zugbahn der Gewitterzelle zu platzieren. Doch dazu muss man erst einmal wissen, wo sich aktuell eine Gewitterzelle befindet. Dazu verwendet man zwei wichtige Werkzeuge: Die Blitz-Ortung und das Niederschlags-Radar.
2. Die Blitzortung – schon vorher wissen, wo es blitzt
Wie der Name sagt, werden mit der Blitzortung Blitze aus Gewittern geortet, und das in Echtzeit! Wenn es wo auf der Welt blitzt, dann wird es von der Blitzortung erfasst.
Das Ganze sieht dann wie folgt aus:
Hier sieht man noch einmal, dass ein Gewitter eine kompakte und abgeschlossene Wolke ist. Die Blitze kommen nicht einfach irgendwo vom Himmel, sondern genau dort, wo sich die Gewitterwolke befindet. Jeder der Punkte bzw. Kreuze ist ein am Boden eingeschlagener Blitz. Wenn man jetzt noch die Blitze über einen bestimmten Zeitraum betrachtet, kann man ganz einfach eine Zugbahn erkennen.
Betrachtet man die Zugbahn der letzten Stunden, kann man daraus ganz einfach auf die Zugbahn in den nächsten Stunden schließen. Man muss also nur noch vor der Gewitterzelle an einem Ort sein, der in eben dieser Zugbahn liegt – allerdings rechtzeitig vor dem Gewitter! Dann kann man schon bald die ersten Blitze fotografieren.
Gute Websites mit Blitzortung fürs Smartphone unterwegs sind:
www.blitzortung.org
www.lightningmaps.org
Rufen Sie einfach diese Seiten auf, und Sie sehen, wo sich ggf. ein Gewitter befindet. Wenn Sie mit dem Auto unterwegs sind, müssen sich Ihr Beifahrer und Sie nun darum kümmern, dass Sie von Ihrem aktuellen Standort rechtzeitig, mindestens 15 Minuten vor dem Gewitter an einem Ort in dessen Zugbahn sind. Das ist der große Trick! Wenn Sie Gewitter fotografieren möchten, müssen Sie schon vorher ungefähr wissen, wo die Gewitter vorbeikommen werden – doch dazu später mehr.
3. Das Niederschlags-Radar als weitere Hilfestellung
Mit dem Radar wird der Niederschlag gemessen, der gerade in unserer Atmosphäre zu Boden fällt. Nur in Gewittern kann der Regen so stark werden, dass er das obere Ende der Skala erreicht. Gewitter stellen also immer lokale Maxima auf dem Niederschlags-Radar da, wie nachfolgend zu sehen:
Hier sehen Sie mehrere konkrete Maxima, jedes von diesen Maxima ist eine Gewitterzelle. Wenn man nun die Animation des Niederschlags-Radars laufen lässt, kann man auch hier sehen, wie sich die Gewitterzellen über das Land bewegen. Aber Vorsicht: Die aktuellsten Radarbilder sind meistens 5 bis 10 Minuten alt! Das müssen Sie beachten, wenn Sie die Zugbahn abschätzen und es einmal knapp wird, einen bestimmten Ort noch vor dem Gewitter zu erreichen.
Für den Anfang brauchen Sie auch noch gar nicht auf bestimmte Formen zu achten, denn verschiedene Arten von Gewittern sehen auch anders auf dem Niederschlags-Radar aus. Das ist jedoch für die ersten Versuche beim Stormchasen vollkommen egal. Sie müssen nur erkennen, dass es ein Gewitter ist.
Ansonsten verweise ich an dieser Stelle für Interessierte auf einschlägige Literatur zu dem Thema:
http://www.d4n.nl/files/docs/How%20to%20read%20and%20interpret%20weather%20radar.pdf
http://www.crh.noaa.gov/Image/dmx/New_Technology.pdf
Die richtige Vorhersage
Nun haben Sie also die absoluten Grundkenntnisse, wie man ein Gewitter erwischen kann. Jetzt müssen Sie nur noch wissen, wann und wo eigentlich Gewitter auftreten können. Hierzu gibt es spezielle Wetter-Modelle. Professionelle Sturmjäger betrachten diese, um genau zu wissen, was kommen wird. Für den Angang reicht es aus zu wissen wann und wo ein Gewitter auftauchen wird, und es ist noch nicht so wichtig zu erfahren, was es für eines ist.
Grundsätzlich interessant für die Fotografie von Gewittern in Deutschland sind die Monate April bis September. Das ist die Gewittersaison. In diesem Zeitraum sollten Sie deshalb Augen und Ohren offen halten, ob es Gewitter geben kann. Wie für mich in dieser Zeit der tägliche Blick in die Wetter-Modelle nicht fehlen darf, so kommen Sie um einen täglichen Wetterbericht nicht umher.
Hierzu empfehle ich Ihnen, auf www.unwetterzentrale.de oder www.wetteronline.de aktuelle Vorhersagen zu Gewittern anzuschauen. Dort sehen Sie auch gleich noch, welche Gefahren auftreten können. Einfach täglich einen kurzen Blick hineinwerfen, dann wissen Sie, ob es in Ihrer Nähe in nächster Zeit zu Gewitter kommen kann. Wenn ja, dann sollten Sie sich darauf vorbereiten aufzubrechen und Ihre Teamkollegen darüber informieren.
Normalerweise gibt die Seite www.estofex.org (European Storm Forecast Experiment) eine Vorhersage der Gewitter speziell für Sturmjäger heraus. Diese erscheint meistens spät am Vorabend vor einem Gewittertag. Die Gewitter-Vorhersage zeigt anhand so genannter Level an, wo es die stärksten und interessantesten Gewitter geben wird. Sie erkennen daher auch schnell das Zielgebiet, wo Sie hinfahren müssen um das Gewitter zu fotografieren.
Im Text zur Vorhersage stehen viele verwirrende Angaben, die Sie als Anfänger erst einmal ignorieren können. Für Sie sind nur das Zielgebiet interessant und der genaue zeitliche Ablauf. Wenn dort zum Beispiel steht „…the thunderstorms will develope in the late afternoon in southwest Germany…“, dann wissen Sie, dass sich die Gewitter erst am späten Nachmittag im Zielgebiet Südwestdeutschland entwickeln werden. Sie sollten also noch vor Nachmittag in diesem Zielgebiet sein um nichts zu verpassen.
Grundregeln während der Sturmjagd
Wie verhalte ich mich am besten während der Sturmjagd? Grundregel Nr. 1 ist: Viel Zeit mitnehmen! Dann muss man sich weder mit dem Autofahren hetzen, noch läuft man Gefahr die Gewitter wegen des Verkehrs zu verpassen.
Gibt nun Estofex das Zielgebiet bekannt, dann sollten Sie geschickt handeln und sich schlau auf Warte-Position begeben. Hierfür bieten zum Beispiel Autobahn-Kreuze oder Kreuze von Bundesstraßen eine gute Warteposition. Kommen zum Beispiel Gewitter von West nach Ost gezogen (wie die meiste Zeit), dann bietet ein Autobahn-Kreuz mit Nord-Süd und West-Ost Strecke eine super Ausgangs-Position.
So können Sie entweder auf der Nord-Süd-Route das Gewitter abfangen, wenn es von Westen auf die Autobahn zuzieht. Oder Sie donnern nach Osten über die Autobahn und bekommen ordentlich Vorsprung, wie die folgende Zeichnung verdeutlicht.
Es ist daher sinnvoll, über die Autobahn Zeit gutzumachen und dann einen Standort in der Nähe der Autobahn aufzusuchen, um von dort aus das Gewitter zu dokumentieren. Man sollte sich nie weit von den Autobahnen entfernen, denn so kann man schnell wieder auf diese zurück und viel Zeit sparen. Ein Verfolgen der Gewitter über Landstraße ist nur in schwach besiedelten Regionen möglich!
Fahren Sie also rechtzeitig zu solch einer guten Ausgangs-Position und warten Sie dort darauf, dass sich die ersten Gewitterzellen bilden. Beobachten Sie hierzu geduldig die Blitzortung. Sobald sich dort die ersten Gewitter zeigen, schätzen Sie ab, wie schnell sich diese bewegen und in welche Richtung. Sie können dann entsprechend eine Route nehmen, die Sie in die Nähe des Gewitters bringt. Suchen Sie sich dann einen Standort, der Ihnen einen freien Blick auf das Gewitter erlaubt. Hierbei hilft Ihnen Google Maps (Apple Maps).
Bitte kalkulieren Sie die Gefahr mit ein
Gewitter sind gefährlich! Vergessen Sie das bitte nie!
Gerade als Anfänger können Sie diese Gefahr noch nicht abschätzen.
Bitte beachten Sie deshalb unbedingt zwei Regeln, damit Ihnen nichts passiert:
Regel Nr. 1: Während der Fahrt zum Gewitter schon einen Rückzugsort raussuchen, wie eine Tankstelle oder eine offene Scheune, da können Sie dann das Gewitter abwarten.
Regel Nr. 2: Sobald der Donner laut wird und es anfängt zu regnen, sofort ins Auto! Denn sonst können Sie vom Blitz getroffen werden.
Nehmen Sie die Gefahren und die Warnungen der Unwetterdienste unbedingt ernst! Großer Hagel und Tornados sind auch in Deutschland vertreten.
Ansonsten wünsche ich Ihnen viel Erfolg!
Und ja, Stormchasen und Blitze fotografieren ist „Try & Error“. Auch ich als Profi erwische nur in etwa 50 % der Fälle ein Gewitter, wenn ich losfahre. Bleiben Sie am besten erst einmal bei sich in der Gegend, um Gewitter zu fotografieren, und üben Sie ein wenig.
Ihr Foto in Groß